Das Narrenlicht
im jüngsten abschnitt des oeuvres von alfred klinkan, der die zweite hälfte der 80er jahre umfasst, zeichnet sich ein wandel in thematischer und formaler hinsicht ab.
die neuen werkgruppen mögen prima vista disparat erscheinen. aus dem blickwinkel des anti-akademischen und unkultivierten, des zweifels am streben nach erkenntnis und des zuges zum allgemeinen und zum hermetischen verdeutlichen sich übergreifende faktoren.
diese arbeiten stammen aus einem zeitraum gravierender veränderungen in den lebensumständen des künstlers. er gibt seinen langjährigen wohnsitz in antwerpen auf (1976/77 war er mit hilfe eines stipendiums vorerst für ein jahr dorthin gegangen), und lässt sich in freising nieder. sein atelier verlegt er nach münchen. in diese phase fällt seine heirat mit hedi abert und die geburt seiner beiden söhne tobias und adrian, den er nach dem maler adriaen brouwer (* 1605, † 1638 in antwerpen) benennt. ein wichtiger sammler, mit dessen regelmäßigen ankäufen er rechnen konnte, stirbt überraschend. die italophile münchner galerieszene macht es klinkan nicht leicht, fuß zu fassen. die unsicherheiten für den kunstbetrieb, die mit dem abflauen der sogenannten neuen malerei gegen ende der 80er jahre verbunden sind, lassen die einen hastig nach neuem ausschau halten und die anderen noch mit nachdruck ihre investitionen in die wohlklingenden protagonisten dieser richtung auskosten. in dieser periode nimmt der wirtschaftliche druck auf klinkan zu und überlagert die leichtigkeit und unbeschwertheit seines bisherigen lebens. von ihr waren zuvor zehn jahre lang seine bildwelten bestimmt gewesen.
die bilder mit den eseln nehmen eine übergangsposition zwischen den neuen bildern und den bestiarien ein, die vorher sein hauptthema gewesen sind. wie dort tritt der esel als mischwesen von mensch und tier auf, reaktiviert das wissen um die fabel- und märchenwesen aus der kindheit, stellt sie aber in eine neue kombinatorik, in der die gesten der figuren nur zum teil auflösbar sind. sie provozieren ein vielfältiges abtasten nach interaktion. diese versuche ergeben aber nie völlig einsehbare lösungen, gehören doch die wesen unterschiedlichen realitätsebenen in klinkans bildkosmos an.
Arnulf Rohsmann: Alfred Klinkan - Das Narrenlicht (1989)