Alfred Klinkan im Gespräch mit Wolfgang Drechsler
Drechsler: Auffallend bei Ihrer Arbeit ist vor allem – neben der Thematik – die starke Farbigkeit, die starken Farbkontraste. Hat die Farbe für Sie eine besondere Bedeutung?
Klinkan: Die Farbe ist eine der wesentlichen Herausforderungen in meiner Malerei. Ich versuche, die Farbe auf meine Art zu kultivieren, eigene Gesetzlichkeiten und Variationen zu erarbeiten, die gewisse und starke, sinnliche Reize auslösen. Ich verwende vorwiegend Ölfarben und zwar einerseits stark verdünnt als Lasuren, andererseits trage ich sie sehr pastos mit dem Palettmesser auf. Ich brauche die Farben nicht zu mischen, die industriell erzeugten Produkte bieten über hundert verschiedene Farbvarianten, die aus den Hauptfarben entwickelt worden sind. Durch die Farbgegenüberstellungen und –kombinationen versuche ich, eine bestimmte Gesamtwirkung zu erzielen, die ich als Sättigkeit definieren möchte. Die Sättigkeit ist eigentlich das Abenteuer oder die Überraschung, die kombiniert mit der Thematik dann etwas ergibt, was schwer definierbar ist, aber eine Ausstrahlung hat, die nicht exakt vorgeplant werden kann.
Drechsler: Könnte man so weit gehen und sagen, dass die Farbigkeit für Sie wichtiger ist als die Thematik?
Klinkan: Nein, sie sind gleichwertig. Die Farbigkeit spricht mehr das Visuelle an, sie schafft den ersten Kontakt mit den Augen, und die Thematik ist dann der Teil für den Kopf, der genauso notwendig ist.
Drechsler: Sie könnten sich somit nicht vorstellen, auf die Thematik zu verzichten und rein abstrakt zu arbeiten?
Klinkan: Nein, die Thematik ist für mich persönlich wichtig, aber auch für den Betrachter wünsch ich mir das. Ich hab zwar in meiner Malerei sehr viele abstrakte Elemente, so in der Farbigkeit aber auch in der Linienführung und in den Flächen, aber durch die Physiognomierung entstehen Gebilde, die dann die Thematik ergeben.
Drechsler: Wie funktioniert das, ist das Thema, sind die Figuren, die Tiere, die Fabelwesen schon vor dem Malprozess in Ihrem Kopf oder entwickeln sie sich während der Arbeit?
Klinkan: Ja, da gibt es eben beide Möglichkeiten, für die ich mich entscheiden kann. In der Hinsicht möchte ich mich auch gar nicht festlegen, da dies für mich einen Teil der freien Bildfindung bedeutet. Ich kann mit der Thematik anfangen oder die Thematik aus der Farbe herausarbeiten und beide Möglichkeiten sind gleichwertig.
Drechsler: Die Thematik ist ja sehr persönlich, sehr eigen, sehr phantasievoll. Können Sie vielleicht kurz die Erarbeitung und Entwicklung dieser Thematik skizzieren?
Klinkan: Ursprünglich waren es eher abstrakte Strukturen, aus denen sich immer konkreter Tiere, Mischfiguren und Menschen entwickelt haben. Vom färbig-grafischen kam ich allmählich zu flächigeren Überlagerungen und die einzelnen Elemente sind immer deutlicher herausgekommen. Das seh ich eigentlich so als Linie in meiner Arbeit.
Drechsler: Die vier in diesem Katalog abgebildeten Arbeiten haben einen gemeinsamen Titel „Die rote Welt“. Sind sie nur als Serie gültig oder auch als Einzelbilder?
Klinkan: Sie sind als Serie gemacht, aber ich glaub, dass sie auch einzeln das ausstrahlen, was ich beabsichtigt habe, eine gewisse Illusion zu erzeugen, ein Gefühl, wie ich es in Holland kennengelernt habe beim Betrachten holländischer Landschaftsmalerei. Weiters wollte ich auch das Licht zeigen, das ich so nur in Antwerpen kennengelernt habe. Die Bilder sind für mich wie ein Aufenthalt in einem Phantasie- oder Wunschland, ein ungezwungenes Verhalten, eine gewisse Verwunderung über Bewegungsmöglichkeiten, sowohl der Figuren wie auch der Farbigkeit.
Drechsler: Sie haben die niederländische Landschaftsmalerei erwähnt, gibt es für Sie ein oder mehrere Lieblingsbilder?
Klinkan: In letzter Zeit erst bin ich bei einem Museumsbesuch in Rotterdam auf ein Bild gestoßen, das mich sehr fasziniert hat, das war der Landstreicher, „Der verlorene Sohn“, von Bosch. So wie der zwischen Bordell und Natur unentschieden pendelt, so schwanke auch ich als Künstler zwischen Großstadt und Natur und versuche auch eine gewisse Balance zu erreichen.
Drechsler: Ihr Zugang zu diesem Bild erscheint mir eher inhaltlich, geistig bestimmt. Gibt es bei diesem Bild auch einen formalen Reiz für Sie?
Klinkan: Ja sicher, aber das ist bei diesem Bild nicht so wichtig. Es gibt für mich drei Kriterien bei meinen Lieblingsbildern. Die einen lösen einen starken Denkprozess aus, wie der Bosch, andere verursachen ein körperliches Gefühl, wie z. B. frühere Arbeiten von Twombly, die dritten sind vor allem visuelle Erlebnisse, wie z. B. einige Bilder von Kandinsky, Chia oder vielen anderen mehr.
Drechsler: Können Sie vielleicht konkreter sagen, was Sie an diesen Bildern visuell interessiert?
Klinkan: Vor allem ist es die Farbe. Das kann die Struktur des Farbauftrags sein, aber genauso die Leuchtkraft der Farben. Andererseits kann es auch ein Gefühl sein, eben ein visuelles Erlebnis, das ich schwer definieren kann. Man spürts eben oder man spürts nicht. Die Wertigkeit ist sicherlich auch durch meine Arbeit bestimmt, bei der sich meine Vorstellungen ausdrücken und auch ändern können.
Drechsler: Arbeiten Sie primär für sich oder denken Sie während der Arbeit auch an einen möglichen Betrachter? Das heißt, haben Ihre Bilder eine Botschaft?
Klinkan: Zum ersten kann ich sagen, dass ich bei der Arbeit primär an die Arbeit denke. Durch die Ausstellungen werde ich aber gezwungen, mich den Urteilen der Betrachter auszusetzen. Was die Botschaft betrifft, hoffe ich natürlich, dass ich eine solche vermitteln kann.
Drechsler: Und worin besteht die?
Klinkan: Dass die Phantasie nicht verlorengeht.