Alfred Klinkan hat schon als Student an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei seinen Professoren Josef Mikl und Wolfgang Hollegha seine Eigenwilligkeit bewiesen, indem er, um nicht in den Sog der Kunst der Lehrer zu gelangen, einfache, heitere, aber auch ironische Motive bearbeitete, wie seine vielen Bilder mit dem Krampus zeigen. Diese inhaltliche Distanz, Barriere, war für ihn notwendig, war nicht vorgeschützt, sondern entsprang seinem Wesen. Die Unvoreingenommenheit, die Frische des Zupackens, seine Erzählfreude und das Gefallen an einfachen Themen sollte man nicht mit einer geistigen Schlichtheit verwechseln oder Klinkan als naiven Erzähler einstufen, denn so vordergründig sind seine Bilder nicht. Das zeigten schon die gegen seinen Lehrer Hollegha gemalten Schriftbilder, mit Blau auf weißem Grund geschrieben, die einem Kinderaufsatz ähnlich, doch von einer erstaunlichen Aggressivität waren. Seine aus der Pop Art entwickelten Strickbilder, Jacken, Mützen, Handschuhe, Socken und dergleichen darstellend, erwiesen ihn als einen hervorstechenden Koloristen, und es gelang ihm, die Bildgegenstände in einem merkwürdigen Gleichgewicht von Daseinsfreude und Gesellschaftskritik, von optimistischer Heiterkeit und einer alles in Frage stellender Ironie zu halten. Seine Tierbilder, geistig von einem verwandten Fundament getragen, verbinden das Märchenhafte mit dem Phantastischen, die Mischwesen und Ungeheuer tummeln sich in einer zauberhaften Gegenwelt, entführen den Betrachter in das Reich Klinkanscher Phantasie.
Die Farbigkeit, ursprünglich stark von den Konturen in Verbindung mit einer Grundfarbe bestimmt, bevorzugt seit jeher warme, leuchtende, ungebrochene Töne und die ursprünglichen kühlen Blaugründe werden in der Folge durch Weiß neutralisiert. Klinkan beschränkt sich zunehmend in der Anzahl der verwendeten Farben und diese Reduktion ist, in Verbindung mit dem kontrastreichen, breiten Farbauftrag, der freien, vom Gegenstand gelösten Verwendung der Farbe und der Ungezwungenheit des Pinselstrichs selbst der Grund zu der außerordentlich malerischen Wirkung seiner Bilder. Seit mehreren Jahren wird die Dominanz der Konturen von einer dichten Erfüllung des Bildes mit positiven oder negativen Gestaltformen und einer Ballung von Farbflecken abgelöst. Dieser reiche malerisch Stil, in welchem die Figuren wie durchscheinend in die Landschaft integriert sind, kennzeichnet eine sich immer stärker verdichtende Aussage Klinkans. In den letzten Jahren hat auch die Bedeutung der Darstellung des Menschen für den Künstler stark zugenommen. Er steht gleichberechtigt oder dominierend neben den Tieren, die so lange das bevorzugte Hauptmotiv bei Klinkan waren.
Die Bilder, der „Jäger mit Schneeschuhen“, die „Vier Richtungen“ und „Zwei Schwalben machen einen Sommer“ verdeutlichen Klinkans Thematik. Die abenteuerliche Romantik des Fallen stellenden Jägers, die Welt der Indianer, abgehandelt nach den Richtungsfarben einiger Stämme, für die Norden schwarz, Süden blau, der Westen gelb und der Osten weiß ist, erfüllt von großen und kleinen Gestalten, von Menschen und Tieren, zeigen uns die Erzählfreude des Künstlers umgesetzt in Malerei, die Himmelsrichtungen sind nur eine von mehreren Bedeutungsschichten, die in diesen Bildern angelegt sind.
„Zwei Schwalben machen einen Sommer“ zeigt zwei in Gelb und Rot erstrahlende nackte junge Menschen, die sich, sich findend, umarmen, vor dem blaugrünen wuchernden Blattwerk einer paradiesischen Umwelt, und über dem Kopf des Mädchens fliegen zwei Schwalben empor. Es ist der Traum vom Goldenen Zeitalter, von der Einbettung des Menschen in die Natur, vom natürlichen Sich-Finden und Lieben, den Klinkan hier in einer Apotheose gestaltet. Apotheose und Traum vom Goldenen Zeitalter, die Möglichkeit von Liebe, Natürlichkeit und des Einklangs mit der Umwelt sind das Thema, das Klinkan mit aller farbiger Intensität und Bewegtheit fast wie beschwörend malt. Die nicht einfältige Einfachheit, die nicht wirklichkeitsfremde Natürlichkeit in diesem Bild verbinden sich mit Klinkans Optimismus, der Strahlkraft seiner Farben und dem frischen Reiz seiner Gestalten. In dem dichten Gewoge der Formen pulsiert das Leben voll von einer neu gesehenen Menschlichkeit. Und diese Synthese des Inhaltlichen, Formalen und Farbigen macht den besonderen Reiz, die besondere Qualität und die malerische Dichte der Werke Klinkans aus.
Wilfried Skreiner: Das goldene Zeitalter (1980)